Presse
Medienmitteilung 24.04.2025

Bye-bye Agrarzölle: Jetzt erst recht!

US-Präsident Trump entfachte einen Handelskrieg. Gegen die Schweiz sollen horrende «reziproke» Zölle in Höhe von 31 Prozent erhoben werden. Angesichts der Tatsache, dass die Schweiz im Jahr 2024 unilateral sämtliche Industriezölle gegenüber allen Ländern abgeschafft hat, wirkt das von der US-Regierung aufgezogene Zollregime gegenüber der Schweiz nicht nur unverständlich, sondern insb. die Berechnung über das Güterhandelsdefizit geradezu willkürlich.

731-Franken-Zoll auf hundert Kilogramm Cherrytomaten?!
In der Debatte über mögliche Handlungsoptionen gegenüber den USA werden aufgrund entsprechender Erwähnung in den veröffentlichten Dokumenten des Weissen Hauses insbesondere die Filmsteuer (sog. Lex Netflix) sowie die Agrarzölle ins Spiel gebracht. Zur Filmsteuer lässt sich festhalten: So unsinnig die Steuer zweifelsohne ist, so gering ist der politische Spielraum für eine Korrektur – zu nahe liegt die kürzlich erfolgte Volksabstimmung. Ganz anders präsentiert sich die Lage bei den Agrarzöllen, wo sich eine Reform längst aufdrängt: Mit durchschnittlich 28,5 % im Jahr 2023 befinden sich die Landwirtschaftszölle auf weltweitem Höchstniveau – fast dreimal so hoch wie in der EU (10,8 %) und sogar fast sechsmal höher als in den USA (5 %). Jonas Lüthy, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz, sagt: «Die Abschottungspolitik im Agrarsektor ist lobbygesteuert und deshalb völlig entgleist; illustriert wird das beispielsweise durch den Schweizer Aussenkontingentzoll von absurden 731 Franken auf hundert Kilogramm Cherrytomaten. Mit ihrer wettbewerbshemmenden Wirkung schaden die Agrarzölle der Landwirtschaft und torpedieren auch eine ökologischere Lebensmittelproduktion. Die Agrarabschottung ist politisch überholt – wenn die Öffnung zugleich das Verhältnis zu den USA verbessert, wäre das ein doppelter Gewinn.»

Freihandelsabkommen: Die Landwirtschaftszölle kosten uns die Zukunft
Agrarzölle verhindern seit Jahren den Abschluss zentraler Freihandelsabkommen und stehen einer ambitionierten Aussenwirtschaftspolitik im Weg. Wichtige Abkommen wie die Teilnahme am umfassenden transpazifischen Partnerschaftsabkommen (CPTPP) scheitern an den protektionistischen agrarpolitischen Zollmauern. Ein besonders illustrativer Fall ist der Versuch, mit den Vereinigten Staaten ein bilaterales Freihandelsabkommen abzuschliessen. Die Schweiz hat in den letzten Jahrzehnten mehrere Anläufe für ein Freihandelsabkommen unternommen. Doch jeweils nach wenigen Gesprächsrunden wurden die Verhandlungen auf Eis gelegt – hauptsächlich aufgrund unüberwindbarer Differenzen im Agrarsektor, letztmals 2006. Mit ihrer Agrarzollpolitik verspielt sich die Schweiz ihre Chancen auf bessere Marktbedingungen und wirtschaftliche Vorteile. Avenir Suisse schätzte die Folgekosten der hiesigen Agrarpolitik in Bezug auf den dadurch geschwächten Freihandel auf CHF 3,1 Milliarden pro Jahr zuzüglich CHF 275 Mio. für den Mehraufwand beim Import. Notabene stehen diese konservativ geschätzten volkswirtschaftlichen Kosten in keinem Verhältnis zu den Einnahmen der Zölle. Im Jahr 2023 betrugen die direkten Zolleinnahmen aus Agrarprodukten im Vergleich lediglich unbedeutende CHF 664 Mio. – welche wiederum von Schweizer Konsumenten bezahlt werden mussten.

Teuer und unsozial: Agrarzölle treffen die Schwächsten am stärksten

Zölle wirken grundsätzlich regressiv – sie verteuern Güter absolut und belasten damit einkommensschwache Haushalte am stärksten. Bei unverzichtbaren Gütern wie Lebensmitteln ist das besonders asozial: Während sich Wohlhabende die höheren Preise leisten können, trifft der Aufpreis Geringverdienende mit voller Härte. Agrarzölle verschärfen die Ungleichheit in der Schweiz unnötig und treiben die Lebenshaltungskosten in die Höhe. So kommt es, dass die Lebensmittelpreise in der Schweiz knapp 60 Prozent über dem EU-Schnitt liegen. Betrachtet man die anfallenden Kosten pro Haushalt, fällt auf, dass diese aufgrund der Marktabschottung allein bereits bei über CHF 700 pro Jahr für teurere Lebensmittel liegen. Kurzum: Landwirtschaftszölle sind teuer und asozial. Den Preis zahlen im wahrsten Sinne des Wortes die Schwächsten.

Scheinbar geschützt, tatsächlich geschwächt: Die Schweizer Landwirtschaft
Nicht zuletzt ist auch die Schweizer Landwirtschaft nur Scheingewinner der Schweizer Agrarzollpolitik. Die gezielte Steuerung und Abschottung des Schweizer Markts im Landwirtschaftsbereich hemmt sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die Innovationsdynamik der Branche. Dazu kommt, dass der volkswirtschaftliche Nutzen des Grenzschutzes gemäss einer Untersuchung der OECD nur zu einem kleinen Teil bei den Bauern anfällt. Der Hauptteil geht an vor- und nachgelagerte Stufen der Wertschöpfungskette, wie zum Beispiel den Handel. Folglich ist der Grenzschutz für die Unterstützung der Bauern ein hoch ineffizientes Instrument mit sehr hohen Streuverlusten. Die Öffnung des Agrarsektors in Österreich sowie der liberalisierte Käsefreihandel zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zeigen exemplarisch, dass letztlich alle Akteure vom Freihandel profitieren.

Die Lösung: Schrittweise Marktöffnung statt Zollprotektionismus
Jonas Lüthy, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz, hält fest: «Unabhängig von Trumps Zollkrieg: Die Schweizer Agrarzollpolitik gehört endlich auf den Prüfstand. Statt mit unverhältnismässigen Agrarzöllen die Bevölkerung mit überteuerten Lebensmittelpreisen zu belasten und die eminent wichtige Verhandlung von Freihandelsabkommen zu schwächen, brauchen wir eine entschlossene Marktöffnung. Die Schweizer Agrarzölle sind in gestaffelten Schritten über 10 Jahre abzuschaffen.» Für die Jungfreisinnigen ist klar: Es gilt, den Grenzschutz auch im Agrarbereich graduell, bspw. mit einer Übergangsphase von 10 Jahren, zu senken, damit Schweizer Konsumenten wie Produzenten in den Genuss der Vorteile des Freihandels kommen. Auch im Sinne der Ernährungssicherheit sollte nicht ein hoher Selbstversorgungsgrad, sondern vielmehr eine hohe Versorgungssicherheit angestrebt werden.