Presse
Medienmitteilung 07.12.2010

Jungfreisinnige unterstützen offenen Brief an den Bundesrat

Medienmitteilung vom 7. Dezember 2010

Auf Initiative der Piratenpartei unterstützt der Vorstand der jungfreisinnigen schweiz den offenen Brief an den Bundesrat. Die Herausforderungen in der Digitalpolitik dürfen nicht verschlafen werden!

Unten der Brief im Wortlaut. Für weitere Informationen: www.piratenpartei.ch/offener-brief-an-den-bundesrat

Die mediale Kampagne gegen Wikileaks und die Auswirkungen auf die Schweiz haben uns veranlasst, den Bundesrat mit diesem offenen Brief direkt anzusprechen.

Die Enthüllungsplattform Wikileaks stellt die Geheimhaltungsmöglichkeiten von Behörden und Institutionen in Frage. Diese sollen der Öffentlichkeit dienen und gleichzeitig von dieser kontrolliert und finanziert werden. Mit dem Verweis auf Vertraulichkeit kann durch den Staat viel Schindluder betrieben werden. Mehr Transparenz erschwert solchen Machtmissbrauch.

Je umfassender eine Gesellschaft über das nationale Tagesgeschehen informiert ist, die internationalen Verknüpfungen versteht und mit diesem Wissen umgehen kann, desto besser sind die Menschen am demokratischen Prozess beteiligt. Alle drei Punkte verlangen, dass die Medien ihre Wächterfunktion wahrnehmen können. Der investigative Journalismus ist nötig, nicht um vorbehaltlos Geheimnisse aufzudecken, sondern um Lügen zu enttarnen. Doch genau dieser investigative Journalismus wurde in den letzten Jahren aus Kostenzwängen vernachlässigt und zivilgesellschaftliche Akteure wie Wikileaks sprangen in die Bresche. Um dieses vorübergehend nötige Engagement aus der Mitte der Gesellschaft zu schützen, bedarf es einer umsichtigen Digitalpolitik.

Dass sich Regierungen anderer Länder in unsere Medienlandschaft einmischen, ist eine ernstzunehmende Angelegenheit. Die Zensur von Medien ist zwar tabu, doch wirtschaftlicher und politischer Druck hinter den Kulissen scheinen dennoch üblich. Die Schweiz muss sich Eingriffen von aussen entgegenstellen und strikt auf ihrer Neutralität bestehen. Es ist davon auszugehen, dass Schweizer Dienstleister wie die PostFinance oder die unabhängige Non-Profit-Organisation SWITCH, die als staatliche Registrierungsstelle für Domain-Namen mit der Endung .ch agiert, unter Druck gesetzt werden. Was in den USA geschehen ist, dass Unternehmen aus der Privatwirtschaft wie PayPal, Amazon, EveryDNS und Tableau auf politischem Druck die freie Meinungsäusserung unterdrücken, darf in der Schweiz nicht passieren. Aus all diesen Gründen braucht es eine konsequente und kompromisslose Digitalpolitik.

Die Abwägung zwischen Transparenz und Recht auf Privatsphäre ist immer unter dem Aspekt der herrschenden Machtverhältnissen zu sehen. Wer mehr Macht innehat, muss einen Teil seiner Privatsphäre aufgeben, um Rechenschaft abzulegen. Umgekehrt soll denjenigen, die keine Macht innehaben, ein Grundrecht auf Privatsphäre eingeräumt werden; in ihrer Position sind sie niemandem Rechenschaft schuldig. Vor der Omnipräsenz des weltweiten Netzes bemühte man sich hauptsächlich um ein gut gepflegtes Auftreten in der realen Welt. In einer virtuellen Welt mit blitzschnellem Informationsaustausch geht die Kontrolle über die eigene Identität schnell verloren und die Daten verselbstständigen sich. Ein Profil auf einem Social-Network ist leicht erstellt und die neuesten Fotos sind schnell hochgeladen. Durch die Erweiterung unserer Identität im virtuellen Raum entstehen Probleme auf verschiedenen Ebenen. Wo sind die Daten gespeichert? Wer schult die Jugend umfassend und kompetent in der Kontrolle ihrer Web-Identität? Was geschieht mit den persönlichen Daten nach dem Tod? Wer hat Zugriff auf die Daten? Die Antwort auf diese und viele weitere Fragen ist eine umfassende Digitalpolitik.

Die unterzeichnenden Personen aus Politik und Zivilgesellschaft fordern den Bundesrat auf, in der Digitalpolitik einen Schwerpunkt zu setzen. Er muss unmissverständlich Position für Meinungs- und Pressefreiheit beziehen. Den Einmischungen seitens der USA und ihrem Botschafter in der Schweiz sind entschieden entgegenzutreten. Aus digitalpolitischen Gründen ist ein Asyl für Julian Assange zu prüfen.