Der falsche Weg zur Selbstbestimmung
Am 25. November stimmen wir über die Selbstbestimmungsinitiative der SVP ab. Viele Gegner betreiben eine regelrechte Angstkampagne. Die Economiesuisse warnt davor, dass 600 Wirtschaftsverträge gefährdet seien, obwohl die eigene Studie aufzeigt, dass wohl nicht mal eine Handvoll wirklich gefährdet ist. Die SP verteufelt die Initiative als Anti-Menschenrechts-Initiative und behauptet die Menschenrechte seien in Gefahr, obwohl diese durch die Bundesverfassung garantiert werden. Doch auch die SVP betreibt einen gar populistischen Abstimmungskampf. Sie behauptet, dass die direkte Demokratie abgeschafft werde, wenn die Initiative abgelehnt werde. Wie das Festhalten am Status-Quo etwas zurzeit Geltendes abschaffen soll, weiss wohl die SVP selbst nicht. Um was es wirklich geht, wird in dieser hitzigen Debatte leider nur zu oft vergessen. Das Anliegen der SVP, dass die eigene Verfassung dem Völkerrecht vorgehen soll, hat durchaus seine Berechtigung. Doch mit der Initiative, welche der Verfassung immer Vorrang gibt (ausgenommen zwingendes Völkerrecht), verliert das Schweizer Rechtsystem seine Flexibilität. Die Flexibilität hat sich über Jahre hinweg bewährt. Doch leider wendet das Bundesgericht diese Flexibilität seit geraumer Zeit nicht mehr an. Das Bundesgericht gibt dem Völkerrecht allgemein den Vorrang und wendet die Schubert-Praxis nicht mehr an, welche vorsieht, dass Schweizer Bundesrecht dem Völkerrecht vorgeht, wenn das jüngere Bundesrecht dem älteren Völkerrecht widerspricht und der Gesetzgeber diesen Widerspruch bewusst einging. Dieser Umstand muss geändert werden. Doch dazu ist die Selbstbestimmungsinitiative der falsche Weg, denn sie stellt die Flexibilität nicht wieder her, sondern verunmöglicht diese ebenfalls. Ein weiteres Problem der Initiative stellt die Rückwirkung, welche dem Rechtsgrundsatz Pacta sunt servanda – abgeschlossene Verträge sind einzuhalten – widerspricht, dar. Dieser Umstand führt zu einer gewissen Rechtsunsicherheit bei bereits abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen. Aus diesen Gründen lehne ich die Selbstbestimmungsinitiative ab.
Alain Schwald
Vizepräsident Jungfreisinnige Zürich